 
    
Ich erinnere mich an Kindergartentage, an denen ich nach Hause kam. Mein Vater kam in mein Zimmer, es waren immer die gleichen Abläufe und Rituale, er zog mich aus, er zog sich aus und vergewaltigte mich. Ich hatte unglaubliche Schmerzen, mir war so schlecht und die Angst riesengroß. Danach musste ich mit ihm duschen, seinen Körper waschen und mich von ihm waschen lassen.
Meine Eltern waren Teil einer religiösen Gemeinschaft. Ich war für sie ein böses Kind und musste es wieder gut machen, auch wenn ich nie wusste, was ich falsch gemacht habe. Oft musste ich unter Zeitdruck große Mengen essen, wenn ich dann erbrach, dann musste ich das Erbrochene essen, weil man Essen nicht wegwerfen durfte. Ich wurde mit dem Stock geschlagen und war oft gefühlte Ewigkeiten in einem dunklen kalten Keller eingesperrt, ohne Trinken und Essen. Nach dem Kindergarten musste ich mit anderen Mädchen in ein Nachbarhaus. Dort wurden wir gewaschen, bekamen die Haare geflochten und mussten weiße Kleider anziehen, dann mussten wir immer wieder Medikamente nehmen, damit wir einschlafen, währenddessen wurden wir von Männern vergewaltigt. Wenn ich wieder aufgewacht bin, dann war da so oft Blut und ich hatte unerträgliche Schmerzen, manchmal hatte ich das Gefühl, meine Beine sind ganz weich... Manchmal wollten die Männer nicht, dass wir einschlafen, dann wurde ich ohne Sedierung vergewaltigt, wenn ich geweint habe, dann hat mir der Mann den Hals zugedrückt oder meinen Kopf unter Wasser, bis ich wieder gut mitgemacht habe. An anderen Abenden wurde Filme gemacht...
Manchmal mussten wir sonntags während dem Gottesdienst mit einem der wichtigsten Männer in einen Nebenraum, damit wir von Sünde befreit werden und nicht in die Hölle müssen und wurden dort vergewaltigt.
Lange habe ich geglaubt, dass das so ist und alle Mädchen das so erleben, mir wurde immer gesagt, dass ich sterben muss, wenn ich rede... Mit dem Beginn der Schule wurde mir immer mehr bewusst, dass es nicht dazu gehört oder normal ist... Aber ich konnte nichts machen, habe mich so hilflos und ausgeliefert gefühlt, so gefangen, wurde weiter vergewaltigt und gequält von meinem Vater und den fremden Männern.
Als ich in der 5. Klasse war, habe ich keinen anderen Ausweg gesehen und habe das, was ich erleben musste, in die Deutschaufsätze geschrieben, in der Hoffnung auf Hilfe. Aber anstatt mir zu helfen, hat die Deutschlehrerin die Aufsätze an einen Verlag geschickt. Dieser fand sie so toll und die Texte wurden veröffentlicht... Ich habe vor vielen Menschen vorgelesen, was zu Hause passiert, aber niemand hat gefragt, ob mir das passiert, ob ich Hilfe brauche... Ich war unglaublich verzweifelt!
Mit 17 Jahren habe ich es geschafft zu gehen, war im Frauen- und Kinderschutzhaus und habe viel Unterstützung durch Wildwasser bekommen. Eigentlich dachte ich, wenn ich gehe, dann wird alles gut. Aber so war es nicht, ich war völlig lebensunfähig, musste so viel lernen, Schmerzen und Erinnerungen aushalten.
Ich habe die Täter angezeigt, Verhör durchgestanden und lebe mit dem viel zu milden Urteil für die Täter.
Mittlerweile arbeite ich seit vielen Jahren mit traumatisierten Kindern und habe selbst zwei kleine Kinder. Nach einer Retraumatisierung vor zwei Jahren habe ich eine Traumatherapie angefangen, mit einer so, so tollen Therapeutin, die mich so unterstützt und begleitet, dass ich zum ersten Mal wirklich Sicherheit erleben darf.
    Jetzt, mit 40 Jahren, lerne ich fühlen, lerne Hunger und Durst zu spüren und Erschöpfung... lerne ich zu leben und nicht nur
    überleben!
    
Das ist eine Zusammenfassung aus dem, was ich erleben musste, diesem grausamen Alltag als so kleines Kind, aus 17 Jahren, in denen ich jeden Tag irgendwie überleben musste.
mail@cou-rage.de
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