Jana

Profilbild von Jana, von der Seite fotografiert.

Es war Angst, die mich zwang, bei ihm zu bleiben.


 

 

Wo fang ich an?! Ich war 18 und lernte den Vater der Kinder kennen. Ich hätte damals auf mein erstes Bauchgefühl hören sollen und mich von ihm fernhalten sollen.

 

Doch jung, naiv und gutgläubig macht halt blind. Er hat alles gegeben, um mein Herz zu erobern. Es kam wie es kommen sollte, wir wurden ein Paar. Die ersten 3 Monate war auch alles schön, er war witzig und hat immer drauf geachtet das ich mich wohl fühle.

 

Dann schlichen sich immer kleinere Situationen ein, die mich hätten eigentlich stutzig machen sollen.

 

Es gab viel Streit wo er wirklich laut wurde, dazu wurde er ausfallend.

 

Ich bin zu dem Zeitpunkt dann immer nach Hause gegangen. Kurze Zeit später rief er dann aber an und entschuldigte sich, lullte mich ein und ja… ich verzieh ihm.

 

 

So ging das immer wieder. Bis zu dem Zeitpunkt als ich feststellte, dass ich schwanger bin. Ab da an fing er an, sich nochmal um 180° zu wenden. Er war ständig am Party machen mit seinen Kumpels, um mich dann betrunken anzurufen, um mich am Telefon zu beschimpfen. Ab da an begann mein innerlicher Kampf. Ich war überfordert und blind dazu. Denn irgendwie war ich ja trotzdem verliebt. Das wurde aber relativ schnell weniger, denn die Ausraster waren nun fast jeden 2-3 Tag. Ich habe damals Tagebuch geschrieben. Wenn ich es heute immer mal durchblättere, bin ich schockiert über mich selbst. Denn ich hätte da schon längst die Notbremse ziehen müssen. Und eigentlich war mir das klar, dennoch hab ich nach Ausreden gesucht. Er ist jung, er hat Angst vor der Verantwortung, das legt sich, wenn erstmal das Baby da ist. Das waren meine Gedanken. Heute weiß ich, es war mehr als dumm so zu denken!

 

 

 

Kurz vor der Entbindung verstarb mein Vater. Ich war mittlerweile 19 Jahre. Die Situation war hart und ich habe einfach funktioniert. Glücklich war ich zu der Zeit schon lange nicht mehr. Es gab nun täglich Streit und er teilte verbal immer heftiger aus.

 

Ich hab es einfach geschehen lassen. Wie all die anderen Dinge, die dann in den nächsten Jahren folgten.

 

 

Vermutlich könnte ich ein ganzes Buch schreiben.

 

 

Die Beziehung war einfach nur noch ein Kampf, ein Kampf um den täglichen Versuch nur kein Streit zu provozieren.

 

 

Mit 23 bekam ich meinen zweiten Sohn. Ich muss dazu sagen, dass ich da bereits schon nicht mehr mit ihm schlafen wollte. Denn Sex ist für mich eine Sache von Liebe und ich liebte ihn nicht.

 

Es war Angst, die mich zwang, bei ihm zu bleiben.

 

Denn ich wusste nicht wohin. Hatte Angst, dass er mir die Kinder wegnimmt, mit seiner Mutter zusammen. Er hatte mich so bearbeitet, dass ich gar kein Selbstwertgefühl mehr hatte. Auch Freunde hatte ich keine mehr. Alle haben sich abgewendet, teilweise zu meinem Schutz. Denn er duldete eigentlich niemanden in meiner Gegenwart.

 

 

2005 versuchte ich mich das erste Mal zu trennen. Ich sehe ihn noch vor mir, er lachte mich aus und lies mich stehen.

 

Dabei blieb es dann.

 

 

2007 der nächste Versuch, ich zog das durch. War stolz. Aber er war dennoch immer da, überall. Egal was ich tat. Er drohte mir, er rastete häufiger aus, meistens unter Alkohol. Ich hatte täglich Angst. Meine Kinder waren noch klein, aber nicht klein genug, um nichts davon mitzubekommen. Der ständige Druck, die Angst im Nacken haben mich wieder klein gemacht.  Dazu kam, dass mein jüngster Sohn immer nach seinem Vater verlangte. Obwohl dieser nie wirklich Interesse zeigte. Er war nie ein Vater. Doch mein jüngster Sohn war noch zu klein, um das zu realisieren.

 

 

Meine Mutter, die von all dem wusste (haben alle in einem Mehrfamilienhaus, Plattenbau gewohnt ) sagte mir leider immer nur „Kind halte die Füße still, sonst bringt er dich nachher noch um im Rausch“. Das tat ich auch.

 

 

2011 bin ich dann aus der Wohnung, in der er so oft gewütet hat, ausgezogen.

 

Denn er hat zuerst die Wohnung verlassen, ist aber in die Nachbarwohnung eingezogen und hat jeden Schritt, den ich gemacht habe, verfolgt. Auch unbefugt Zutritt hat er sich verschafft. Er stand nachts einfach in meinem Schlafzimmer, hat mir Affären unterstellt, wollte an mein Handy. Ich hab mich versucht zu wehren (er 1.93 m und ich 1.63 m und sehr zierlich) hatte aber keine Chance. Er stellte mich z.B. in Unterwäsche einfach vor die Wohnungstür, nur um dir Wohnung zu durchsuchen. Er hat auch einfach das Bad betreten, wenn ich duschen war und hat das warme Wasser ausgestellt... und das sind nur kleine Einzelheiten.

 

 

Deshalb musste ich da raus. Zog also einige Straßen weiter. Schließlich gingen die Kinder ja in der Nähe zur Schule, meine Mutter brauchte mich, meine Arbeit war auch gut zu Fuß erreichbar. Von daher erschien es mir für logisch, nicht ganz wegzuziehen. Wobei ich eine Flucht geplant hatte, nach Berlin. Es war alles schon gut geplant. Aber ich habe mal wieder aus Angst gekniffen.

 

Was soll ich sagen, das Drama zog sich über Jahre weiter. Immer wieder kam es zu verbalen Attacken seinerseits.

 

Die Trennung hat er nicht ganz verstanden. Ich war sein Besitz. Und so behandelte er mich.

 

Und ich, ich hab es ertragen und mit mir machen lassen.

 

Ich hielt die „Bälle flach“, denn wenn ich ruhig war, war er es auch. Und die Kinder hatten einen Tag, ohne dass es Theater gab.

 

Abends, wenn die Jungs schliefen, dann merkte ich, wie mir mein Körper schmerzte, mein Magen rebellierte. Ich heulte mir die Augen aus. Und mit jedem Tag, der verging, schwand meine Kraft und auch mein Wille.

 

Dann kam der Tag, als er mich in meiner Wohnung attackierte. Er fing mich abends nach der Gassi Runde ab, er kannte meine Gewohnheiten und schlich sich, volltrunken, hinter mir in den Hausflur und in meine Wohnung. Wenn ich das hier grade schreibe, spüre ich, dass mein Herz noch immer schneller schlägt. Den Abend werde ich nie vergessen.

 

Ich dachte, er bringt mich um.

 

Er war wahnsinnig wütend, eifersüchtig (ich muss dazu sagen, ich hatte ihm Monate vorher mitgeteilt, dass ich auch an Frauen interessiert bin) und stürmte auf mich zu, packte mich an meinen Haaren und schleuderte mich zu Boden. Jeder Versuch mich zu wehren scheiterte. Bis heute sind einige Aktionen verschleiert.

 

Woran ich mich gut erinnere ist, dass mein großer Sohn geistesgegenwärtig die Polizei rief. Und der kleine versuchte, mich zu beschützen und stand mit einem Besen vor mir und rief seinem Vater zu „lass meine Mama in Ruhe“. Dieser lachte ihn aber aus.  Ich wiederum stellte mich vor meinen Sohn. Das war ein Alptraum.

 

Besonders für meine Jungs, wie sich im späteren Leben zeigte.

 

Die Polizei kam zum Glück schnell. Wer weiß, was sonst passiert wäre. Mein Großer hat mir mein Leben gerettet. Und der kleine…. ich bin mächtig stolz auf meine Jungs. Ohne sie wäre ich heute vermutlich nicht mehr hier.

 

Viel Hilfe bekam ich von der Polizei nicht. Er bekam Platzverweis für 24 h und das wars.

 

 

Er war relativ schnell wieder ran und machte weiter wie bisher.

 

 

Er schlug mich zwar nicht mehr, aber das was er tat, war nicht besser. Er vergewaltigte nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele. Jeden Tag aufs Neue.

 

 

Für ihn war es normal, dass ich hinhalte, wenn er ruft. Ein Nein kam nicht in Frage. Er quatschte solange psychisch auf mich ein, bis er bekam was er wollte. Und es war ihm egal, ob ich weinte vor Schmerz. Ich lag da, starrte auf einen bestimmten Punkt und versuchte an etwas Schönes zu denken. Von Mal zu Mal fiel es mir aber immer schwerer. Und weil das alles noch nicht genug war, beleidigte er mich hinterher immer noch. Ich solle mich nicht so anstellen oder jammerst du jetzt, weil du ne M*****leckerin geworden bist. Seine Worte!

 

Tag ein Tag aus ging das so. Wenn er dann mal nicht da war und bei sich war oder unterwegs, dann saß ich oft da und meine Gedanken kreisten nur um das eine Thema.  Ich vertraute mich auch keinem an, wem auch?

 

Oft schaute ich die Packung mit den Schlaftabletten an, schaute mir Bilder mit meinen Kids an, legte die Schlaftabletten wieder weg. So ging das eine Weile.

 

 

Im Dezember 2014 wendete sich das Blatt. Ich war seelisch und körperlich nun an meine Grenzen gekommen. Ich funktionierte nur noch. All die Jahre hatte ich gut verstecken können, was in mir vorging. Ich habe ja auch niemanden an mich rangelassen. Bis zu dem einen Tag, der unser Leben, und ich sage bewusst Unser Leben, veränderte.

 

 

Meine jetzige Frau half mir den schwersten Weg meines Lebens zu gehen. Wir kannten uns schon vorher, doch auch hier hatte er den Kontakt unterbunden.

 

 

Diesmal hatte er keine Chance.

 

 

Dank ihr hab ich nochmal alle letzten Reserven mobilisiert und war bereit in den Kampf zu gehen. Denn ich wollte, dass meine Kinder endlich zur Ruhe kommen. Dass sie wieder eine Mama haben die nicht weint, die Spaß am Leben hat. Ich wollte, dass meine Kids frei sind, keinen Ballast zu tragen haben müssen. Man neigt ja dazu, sich immer alles schön zu reden. Doch das war es nicht.

 

Meine Jungs haben gelitten. Angst vor dem Vater, Angst um ihre Mama. Angst vor der Nacht, Angst wenn das Handy klingelt, Angst wenn es an der Tür klopft oder klingelt. All das ging jahrelang nicht an ihnen vorbei. Und das schlimme ist, ich hab es zugelassen.

 

 

 

Nun kommt der Teil, der vielleicht Mut macht! Und wenn damit auch nur einer Frau geholfen ist, dann war es das wert, ein Teil von meinem Leben preiszugeben.

 

 

 

Zusammen mit meiner jetzigen Frau haben wir einige Stellen aufgesucht, um ihm endlich seine Grenzen aufzuzeigen. Auch hier waren wir erst an der dritten Station richtig. Die Interventionsstelle. Die Frau war super nett und sagte mir sofort die erlösenden Worte „Hier sind sie richtig“ ich konnte es nicht fassen. Die nette Dame hat ruck zuck alles in die Wege geleitet, um mir zu helfen. Ich bekam eine Anwältin zur Seite gestellt, musste eine schriftliche Erklärung abgeben zu den Vorkommnissen und dann kam es zu einer Gerichtsverhandlung. Zwar 3 Monate später, aber es passierte was.

 

 

In der Zeit flossen noch viele Tränen, ich wollte auch ein -zweimal aufgeben. Denn er bedrängte mich natürlich weiterhin. Drohte mir, er würde sagen, ich wollte mit ihm schlafen.

 

Ich hatte Angst, dass man mir nicht glauben würde.

 

Aber ich hatte alle Chatverläufe aufgehoben und hatte somit Beweise, dass ich ihn angefleht habe aufzuhören mit allem. Das er an die Kinder denken soll usw.

 

Ich hatte also Beweise, ich hatte meine Partnerin, die mir mit viel Geduld und Liebe Kraft gab. Ich hatte wieder Lebenswillen. Ich war bereit zu kämpfen.

 

 

Den Kampf gewann ich.

Am Tag der Verhandlung, der 17.03.2015, war meine Befreiung. Ich bin bewusst alleine hin. Ich wollte das er sieht, dass ich es allein, ohne dass jemand hinter mir steht, schaffe.

 

Die Richterin hat ihn förmlich „klein“ gemacht.

 

Da habe ich erst realisiert, was ich all die Jahre mitgemacht habe. Dass es nicht „normal“ war. Dass ich nicht schuld war.

 

Er war derjenige, der weit über die Grenze hinaus ging. Er ein Stalker. Ein Mensch, der versucht hat, unser Leben zu zerstören.

 

 

Als ich den Gerichtssaal verlies, war ich noch wie im Rausch. Mir war übel, ich zitterte, mir war heiß und kalt. Ich konnte noch gar keinen klaren Gedanken fassen.

 

Erst zu Hause, als ich meiner Partnerin davon erzählt habe, da flossen Tränen. Tränen der Erleichterung. Ich wusste, nun ist es vorbei. Er wird mich nie wieder anfassen.

 

Ab jetzt gehöre ich nur noch mir.

 

 

Meine Kinder waren auch sichtlich erleichtert.

 

Wir feiern den Tag noch heute.

 

 

Es war ein harter langer Weg. Meine Kids brauchten beide eine Therapie, um zu verarbeiten, was sie erlebt haben.

 

Wir hatten einige Gespräche und da wurde mir bewusst, was sie alles mitbekommen haben. Schrecklich, wirklich.

 

Bis heute mache ich mir Vorwürfe. Das wird wohl immer so bleiben. Allerdings sagte man mir, dass ich in zu der damaligen Zeit das für mich richtige gemacht habe.

 

 

 

Jetzt 2021 sind wir eine super tolle Familie. Meine Jungs sind 21 und 17. Meine Frau und ich sind seit fast einem Jahr verheiratet. Ich habe meinen Traumjob und wieder Freundschaften. Ich bin glücklich.

 

Und unsere Kids haben sich wunderbar entwickelt. Sie sind einfach großartig. Ich bin unfassbar stolz.

 

Ohne meine Jungs und meiner Frau säße ich heute nicht mehr hier.  Bin ich mir sicher.

 

 

Ich kann jedem wirklich nur raten, den Kampf aufzunehmen.

 

Nicht zu lange zu warten. Akzeptiert nicht, dass man aus euch ein Opfer macht.

 

 

Ich schreibe das deshalb, weil ich natürlich trotz der Befreiung mit den Spätfolgen zu kämpfen habe.

 

Bis heute ertrage ich das Klingeln oder Klopfen an der Tür nicht. Oder wenn es abends im Hausflur poltert und ich das Geräusch nicht zuordnen kann.

 

Gewisse Dinge triggern mich nach wie vor. Aber was ich mir immer wieder sage ist „Gib ihm nicht immer noch die Macht über dich! Lasse nicht zu, dass er dein Leben beeinflusst!“

 

Denn das hat er viel zu lange getan!