Nicht die Fremden - die, denen man vertraut

Seit ich denken kann, hatte meine Mutter panische Angst um mich…, dass ein fremder Mensch - einer dieser “gruseligen Kinderschänder”, wie man sie aus den Medien kennt, mich überwältigen könnte. Denn immerzu wird dieses Narrativ verbreitet - es sind DIE, der Rand der Gesellschaft: Menschen, denen man direkt ansieht, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und sie an Kindern Gewalt ausüben würden. Doch die Wahrheit, dass sie unter UNS sind, will wohl niemand hören. Das ist zu schrecklich, um damit umgehen zu können. Aber was glaubt die Menschheit, womit WIR umgehen müssen? Zutiefst traumatisiert und mit schrecklichen Erinnerungen müssen wir irgendwie den Alltag bewältigen, wissend, dass die meisten Menschen nichts davon hören wollen. “Ich hoffe, dieses Monster ist hinter Gittern”, kommentieren sie unter Beiträgen, die von Kindesmissbrauch handeln. Unwissend (oder eher ignorant?) der Tatsache gegenüber, dass in den der Tatsache gegenüber, dass in den allermeisten Fällen das “Monster” nicht hinter Gittern landet, sondern sein happily ever after bekommt. Jetzt mal abgesehen davon, dass das Ganze “Monster”-Narrativ nun wirklich niemandem hilft, weil es die Täter entmenschlicht und so aus der Gesellschaft verdrängt. All das, während viele Überlebende den gesamten Rest ihres Lebens zahlen müssen. Oft sind es die Personen, die die Täter vermeintlich am besten kennen, die sie eben doch am schlechtesten kennen. Täter sind extrem selten die “gruseligen Monster aus dem Busch”, es sind Ehemänner, Familienmenschen, Chefs - die, “von denen man es nie erwartet hätte” und die “so nett” sind, “das kann nicht sein”. So auch in meinem Fall. Während meine Mutter mich helikopterte und regelmäßig wiederholte, dass ich auch ja mit niemand Fremden mitgehe etc., missbrauchte mich die eine Person, der sie vertraute: ihr Ehemann (mein Vater). Oder sollte ich eher sagen: ihr Unterdrücker. Denn natürlich ist sie nach all der emotionalen, physischen und sexuellen Gewalt, die er mir angetan hat, immer noch auf seiner Seite. 

 

Und ich werde nie etwas dagegen tun können, dass er alles hat, was er will, und in Freiheit lebt, während er dafür gesorgt hat, dass ich psychisch gefangen bleibe - durch meine Flashbacks, Alpträume, Panik und noch mehr. Aber während ich nichts gegen ihn tun kann, werde ich meine Stimme nutzen, um etwas gegen andere Täter zu tun. Ich möchte aufklären, damit Kinder nicht so leiden müssen, wie ich. Und ich möchte meine Stimme nutzen, damit sich andere Überlebende weniger allein fühlen. So wie ich mich auch fühle, wenn ich von anderen Überlebenden höre.  

 

-- Victoria --

 

 

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